Der Polizeiruf ist besser als sein… äh Ruf. Das beweißt auch die neue Folge mit Matthias Brandt als Hanns von Meuffels, die mehr noch als die Vorgänger zu irritieren wissen. Der klaustrophobische Klinikkrimi kann zwar in der ersten Hälfte überzeugen – leider muss man im Gesamturteil aber gerade bei den eigentlichen Selbstverständlichkeiten wieder alle Augen zudrücken. Immerhin: „Fieber“ schafft eine sehr konsequente bildästhetische Atmosphäre, in deren Bann man sich zwar gern ziehen lässt, die zugleich nach 60 Minuten aber auch ausgereizt ist.

Liebhaber des klassischen Tatort-Strickmusters mussten schon früh ein- und zusehen, dass bzw. wie sie heute abend nicht glücklich werden. Ein grell ausgeleuchtetes atemberaubendes Alpenpanorama und komplementär dazu die grünlichternen Nachtlampen der Betten eines kühlen Krankenhauses setzen relativ schnell die schrullig-schrille Ästhetik.

Ohne viel erklärt zu bekommen (Danke!), stolpert der Zuschauer genauso orientierungslos und grundskeptisch wie der Patient von Meuffels durch die sonderbar menschenleeren Flure des Klinikums. Hier stimmt was nicht. Und es macht einen noch kränker, nicht zu wissen, was nicht stimmt. Hier, noch innerhalb der ersten halben Stunde, gelingt es Regisseur Hendrik Handloegten, eine Einheit zu schaffen zwischen Protagonist und Zuschauer. Das geht so gut, weil sich alles zurückhält, von dem man sonst in Tatorten zu viel kriegt: Wenig Worte, wenig Schauspieler, wenig Schauplätze. Das funktioniert, weil Matthias Brandt zu sehen ist. Er versteht es durch sein distanziertes und gleichzeitig eindringliches Spiel, das Nebensächliche von dem Wichtigen zu trennen. Die Aufmerksamkeit des Betrachters wird gebündelt. Dadurch erkennt man die Details, nimmt künstlerische Spirenzien des Kameramanns staunend als Kunst war und eben nicht als aufgesetzten Fremdkörper. Der von oben gefilmte Tropf, den von Meuffels begleitet oder der von Meuffels begleitet wird, das sprudelnde Colaglas in Close-Up – ja selbst die alptraumhafte Vision des Junkies, die dem Kommissar ziemlich regelmäßig erscheint, kommt im Gesamtkonzept nicht verrenkt daher, sondern gliedert sich auch dank der relativen Effektlosigkeit dieser Erscheinung recht reibungslos in den Gesamtsound dieses Polizeirufs.

Allerdings: Brandts schauspielerisches Können ist gleichsam auch mitverantwortlich für den plötzlichen Leistungseinbruch nach 60 Filmminuten. Denn wenn man den Blick geschärft bekommt für das Detail und für das Wesentliche, dann fällt einem noch drastischer auf, dass die eigentliche Geschichte ziemlich bescheuert ist. Würde an Brandts Stelle Richy Müllers Nase ermitteln, ginge das völlig unter.

Aber hier: Plötzlich geht’s bergab. Die Drehbuchautoren Alex Burech und Matthias Pacht lassen plötzlich den behandelnden Arzt zetern „Wir haben doch einen Eid geschworen!“ und kurz darauf wird grausam platt noch ein weiteres Mal ausgesprochen, dass es Krankenhauskeime waren, die der Grund für die Patienten- und Mitarbeitermorde waren.

Damit dann auch klar ist, dass das alles gar nicht so sehr gegen die Ärzte als raffgierige Berufsgruppe geht, sondern der Druck sich auch irgendwie gesellschaftlich, ja gar wirtschaftlich begründet, wird dann auch ständig ein chinesischer Investorentrupp gezeigt, der während der 90 Minuten bestimmt vier Mal die Cafeteria besichtigt.

Insofern ist „Fieber“ schon ein Phänomen. Selten haben die Sonntagskrimis eine solche gebogene Performancekurve. Oft sind sie schlecht, manchmal gut, selten ganz toll. Aber das alles meist durchgehend.

Bleibt am Ende so ein bisschen die Frage: Woran hat’s gelegen? Entweder, es gab Streß im Schneideraum – nicht ausgeschlossen, bei der voluminösen Arthousigkeit. Oder: Man hat sich einfach verzettelt. Die großen Szenen an den Anfang gesetzt, die Story zu dünn geschnitten, die vielleicht ja auch notwendige Erläuterungen zu platt und falsch platziert.

All in all: „Fieber“ war ein sehenswerter Polizeiruf. Brandt ist groß! Ärgerlich nur, dass es mal wieder das Handwerk war, das man kritisieren muss. Denn das, das kann man doch durch reines Üben eigentlich besser machen?

Ach und: Über die Überflüssigkeit der Figur von Anna Burnhauser sprechen wir nächstes Mal.

(7/10)

/Daniel Bochow

Polizeiruf 110
„Fieber“

Ansehen (Mediathek)
Regie: Hendrik Handloegten
Buch: Alex Buresch, Matthias Pacht
mit Matthias Brandt, Walter Sittler, Anna Maria Sturm, Jürgen Georg Friedrich

Erstausstrahlung: 05.11.2012

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